BLINDer.

Aussetzungsserie & performative Installation.

Das Projekt ist eine offene Erkundung – akustisch, narrativ, musikalisch, verbal, poetisch und räumlich. Die experimentelle künstlerische Auseinandersetzung mit Orten und Menschen, Atmosphären und Stimmungen, Vertrauen, Verletzlichkeit und Aussetzen, Wahrnehmung und Vorstellungskraft erforscht zwischenmenschliche sowie Umwelt-Mensch-Beziehungen. Ein phänomenales Psychogramm. Begehbar. Erlebbar. Teilnahmeverweigerung unmöglich. Wer den Raum betritt, hat Teil.

Wahrnehmungsblasen werfen Schatten, überlappen, erzeugen Neues, halten gefangen, isolieren, ermöglichen Begegnung und Interaktion, Vielschichtigkeit des Lebens, Ambivalenz, Gleichzeitigkeit, Parallelwelten. Ein Figurentheater. Marionetten – gelenkt durch die Erlebnisse einer Stimme im Kopf. Körper reagieren auf verbalisierte Wahrnehmung. Schattentheater. Wie verhält sich der Schatten zum Körper? Die Schatten stehen für Schattenseiten. Erlebnisse, Erinnerungen und Zustände, die die meisten lieber verbergen. Doch sie sind immer da, begleiten uns und interagieren oft unterbewusst mit den Schatten anderer Personen. Das hat eine eigene Schönheit, Eigenleben. Was im Inneren der Person vorgeht, worauf sie reagiert, bleibt unhörbar, aber erahnbar durch genaue Beobachtung des Schattentheaters. Jede Annäherung bedeutet Teilnahme am Schattentheater.

Idee, Konzept, Umsetzung

Carina Pesch

Stimme

Carina Pesch

Förderung

Stadt Leipzig (Konzeption), Kulturstiftung des Freistaates Sachsen (Umsetzung)

Field Recordings

Carina Pesch

Komposition

Carina Pesch

3D-Modelle

Cyplot

Das Material

Um das Material zu generieren hat die Künstlerin viele Menschen gebeten sie auszusetzen. Mit verbundenen Augen. Verkabelt mit Mikrofon und Aufnahmegerät. Orientierungslos. Neugierig. Ahnungslos. Wo auch immer sie ausgesetzt wurde, verharrte sie 30 Minuten. Das Unbekannte aushaltend. Atmend. Erkundend. Sich dabei an ihrer eigenen Stimme festhaltend. Alles beschreibend. Ihre Eindrücke wurden unmittelbar zu gesprochenen Worten. Ungefiltert. Automatisches Sprechen (nach Antje Vowinckel). Reden ohne Pause. Stream of Consciousness. Was liegt hinter der verschleierten Welt?

Sich an akustischen, taktilen und olfaktorischen Hinweisen orientierend, formte La Pesch langsam Bilder, Atmosphären und ein Gefühl für den Ort. Der freie Sprachfluss kreierte poetische Bilder, Wortspiele, Verdichtungen und wurde in der Komposition weiter rhythmisiert und verdichtet. Field Recordings von den Aussetzungsorten ergänzen die gesprochenen Worte. Sie kontrastieren die blinden und naiven Imaginationen des jeweiligen Ortes mit der gesehenen und gehörten Realität. Die beiden Klangebenen erforschen Grenzbereiche zwischen Fiktion und Wirklichkeit, zwischen Wahrnehmung und Vorstellungskraft.

Die Teilnahme

Besucher*innen der performativen Sound-Installation entscheiden sich am Eingang, ob sie sehend beobachten oder hörend erleben wollen. Beide werden zu einem Teil des Kunstwerks. Denn die Kunst entsteht im Erleben.

Die Hörenden erleben: Eine fremde Person reicht ihnen eine Augenbinde. Verbindet ihnen die Augen. Dunkelheit. Haltgebende Schulter schreitet vorweg. Unsichere Schritte. Nicht den Anschluss verlieren. Schweigend werden sie zu einer Stelle im hallenden Raum geführt. Dort setzt sich ein Paar Kopfhörer auf ihre Ohren. Sie stehen, sitzen, liegen – im leeren, dunklen Raum. Folgen mit der Vorstellungskraft der Stimme der Künstlerin. Und hören die Komposition zu einer Aussetzung. Erleben. Reagieren. Bis Stille ist. Dann nehmen sie die Augenbinde ab. Blinzeln. Sehen sich um. Werden zu Beobachter*innen. Erleben vielleicht erneut. Eine andere Aussetzung. Einen anderen Ort. Die verschiedenen Kompositionen haben unterschiedliche Längen. So gibt es verschiedene Zeiten des Wechsels.

Die Beobachter*innen sehen: Eine weite, graue und größtenteils leere Halle. Dramatisches Spiel aus Licht und Schatten. Einige Objekte. Kopfhörer hängen von der Decke. Zehn hör-teilnehmende Besucher*innnen werden mit verbundenen Augen in den Raum geführt. Und unter ein Paar Kopfhörer gestellt, gesetzt, gelegt. Schemenhaft. Reagierend. Lachend. Erschüttert. Verzogene Gesichter. Die Schatten vergrößern die Reaktionen. Interaktion und Begegnung geschieht zwischen den hörend erlebenden Besucher*innen durch ihre Schatten. Die Beobachter*innen dürfen sich annähern. Herumwandeln. Ohne zu berühren. Gesichter beschauen. Mit den Schatten interagieren. Immer wieder nimmt ein Mensch im Raum die Augenbinde ab. Orientiert sich neu. Nimmt ein neuer Mensch die leer gewordenen Stelle im Raum ein. Erlebt erneut. Reagiert – auf vielleicht ganz andere Art. Die Vorstellung geht so lange bis der letzte Mensch den Raum verlassen hat.

gefördert von