Bundesweiter Flickenteppich aus Nichtraucherschutzgesetzen sorgt für Unübersichtlichkeit / Internetplattformen bieten Wegweiser durch Gesetzesdschungel.
Leipzig. Wenn ein deutscher Italienurlauber vor einem Jahr die italienischen Straßen entlang schlenderte, dann wunderte er sich über die Menschen, die vor den Bars standen. Zu hunderten quollen die Rauchenden aus den Gaststätten und Diskotheken, denn hier galt schon das Rauchverbot. Mittlerweile sind die Nichtraucherschutzgesetze auch in weiten Teilen Deutschlands in Kraft getreten. Doch in Deutschland kämpfen viele für den Schutz von Rauchern stärker als für den von Nichtrauchern.
Von München bis nach Berlin entstehen Raucherclubs und Internetplattformen zum Schutz der bedrohten Spezies Raucher. Vermehrt kommt es zu Bürgerbegehren und Verfassungsklagen. Dirk Bruckner, Wirt aus Schleswig-Holstein, will seine Kneipe sogar in eine Kirche umwandeln und das Rauchen zum religiösen Ritual erklären, um das Rauchverbot zu umgehen. Was den Katholiken der Weihrauch, ist seinen Anhängern der Glimmstängel.
Der deutschlandweite Raucherprotest führt auch in der Politik zu absurden Szenen: In Bayern setzte sich die CSU zunächst für das strengste Nichtraucherschutzgesetz ein. Nach hohen Stimmverlusten bei den bayrischen Kommunalwahlen ging die CSU jedoch dazu über, den harten Kurs gegen die Raucher zu lockern. Die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing (SPD) sieht jedoch keinen Zusammenhang zwischen den schlechten CSU-Wahlergebnissen und dem Rauchverbot.
Doch im Internet gab es viele Aufrufe zum Stimmentzug: Zum Beispiel rief der Verein zum Erhalt der bayrischen Wirtshauskultur (VEBWK) dazu auf, gegen die CSU zu stimmen. Der Verein ist ein Zusammenschluss bayrischer Wirte, die Umsatzeinbußen durch das Rauchverbot befürchten. Sie begründeten den Stimmentzug für die CSU: „Es ist mehr als unchristlich, dass Wirte über 25 Prozent ihrer Gäste vor die Tür schicken sollen.“
Überall schießen jetzt Raucherinitiativen aus dem Boden. Doch woher kommt dieser starke Protest? Für die Drogenbeauftragte Bätzing steht fest: „Es ist eine sehr emotionale Debatte. Die Raucher müssen lieb gewonnene Gewohnheiten ablegen.“ Aber der Schutz der 70 Prozent Nichtraucher in Deutschland gehe nun einmal vor. Auch andere europäische Länder wie Italien und Irland führten Rauchverbote ein, ohne dass sich Klagen und Proteste häuften. Viele Gegner der deutschen Nichtraucherschutzgesetze erklären den vergleichsweise starken Protest in Deutschland mit der Unübersichtlichkeit der Gesetzeslage. In jedem Bundesland gibt es andere Rauchverbote und Ausnahmen. Die Verwirrung ist entsprechend groß, schlägt sich in langen Diskussionen und Protesten nieder. Nirgends ist der deutsche Flickenteppich derzeit so deutlich sichtbar wie beim Kampf um nikotinfreie Luft.
Dieter Böhden: „Das ist wie bei den Premiere Sportsbars. Von der Straße aus sieht man: Aja, da kann ich Fußball gucken. Und jetzt nutzen wir das gleiche System für Raucher.“
Damit die bedrohten Raucher nicht vollends die Orientierung verlieren, wollen zwei Unternehmer aus Paderborn, Dieter Böhden und Bernd Werner, für Ordnung sorgen. Sie gründeten eine Internetplattform, den Deutschen Raucher Club (DRC). Die Plattform (www.drc-raucherclub.de) soll eine bundesweite Übersicht über den Flickenteppich aus Nichtraucherschutzgesetzen ermöglichen. Die Idee ist einfach: Im Internet können Gastwirte ihren Betrieb als Clubhaus oder als Gaststätte mit Clublounge eintragen. Die Gäste können als registrierte Mitglieder auf die Einträge zugreifen. „Wenn ich also auf der Cebit bin, kann ich kurz im Netz gucken, wo ich abends Bierchen und Zigarette zusammenkriege“, erklärt Böhden. Zusätzlich werden die Gaststätten mit Erkennungszeichen ausgestattet, zum Beispiel ein gelber Lichtkasten mit dem Schriftzug DRC. „Das ist wie bei den Premiere Sportsbars“, vergleicht Böhden. „Von der Straße aus sieht man: Aja, da kann ich Fußball gucken. Und jetzt nutzen wir das gleiche System für Raucher.“
Aber Raucherclub und -lounge haben noch einen anderen Vorteil. Die Macht des Gesetzgebers endet, wo die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Wenn Gastronomen und Gäste nun „geschlossenen Vereinen“ beitreten, dann können sie das Rauchverbot umgehen. Dann wird die Gaststätte zum privaten Bereich, auch wenn sich dieser durch Internetplattformen beliebig erweitern lässt.
Sabine Bätzing: „Es ist eine sehr emotionale Debatte. Die Menschen werden sich daran gewöhnen. Fragen Sie mal die Italienurlauber: Dort funktioniert es ja auch.“
Das hatte sich Drogenbeauftragte Bätzing wahrscheinlich anders vorgestellt. Der nervtötende föderale Gesetzesdschungel aus Rauchverboten, Ausnahmeregelungen und Befristungen hingegen ist auch für Bätzing ein Kritikpunkt. Sie habe sich immer für bundesweit einheitliche Rauchverbote ohne Ausnahmeregelungen eingesetzt. Das sei für Gastronomen und Gäste das Beste, weil es keine Wettbewerbsverzerrungen gebe. Dennoch ist sie zuversichtlich, dass der Nichtraucherschutz auch in Deutschland funktionieren wird: „Die Menschen werden sich daran gewöhnen. Fragen Sie mal die Italienurlauber: Dort funktioniert es ja auch.“
(Text von Carina Pesch, Bild von www.sxc.hu)
Anmerkung: Der Artikel ist am 28.03.2008 in der Leipziger Volkszeitung erschienen.