Dicke Luft im Erzgebirge

Tschechische Industrie sorgt für üblen Geruch im Raum Seiffen.

Leipzig. Seit acht Jahren engagiert sich Iris Kreher in der Bürgerinitiative Saubere Luft. „Luftverschmutzung gibt es hier aber schon, so lange ich denken kann“, sagt sie. Zu DDR-Zeiten sei der Schnee durch die Kohleindustrie oft schwarz gewesen. Nach der Wende kamen dann höhere Umweltstandards – zumindest auf deutscher Seite.

Iris Kreher lebt im Kurort Seiffen im Erzgebirge, etwa vier Kilometer vor der tschechischen Grenze. Fährt man von dort 14 Kilometer weiter, steht man mitten im Industriegebiet Litvinov. Von dort komme die nächste Luftverschmutzung für das Mittlere Erzgebirge, erzählt Kreher. „Heute werden wir ständig von Chemiegerüchen belästigt.“ Es rieche nach faulen Eiern oder Katzendreck. Bei Kindern, Kranken und Alten würden sich gesundheitliche Beschwerden häufen. Die Ärzte sind allerdings geteilter Meinung, nicht alle begründen die Erkrankungen mit der Luftverschmutzung. Besonders im Winter, bei Süd- und Südostwind, wehe der üble Geruch nach Seiffen, so Kreher weiter. Manchmal seien auch die Autos ganz ölig verschmiert.

Iris Kreher: „Luftverschmutzung gibt es hier aber schon, so lange ich denken kann. Zu DDR-Zeit war der Schnee oft schwarz. Heute werden wir ständig von Chemiegerüchen belästigt.“

Auf der anderen Seite des Erzgebirges, bei Litvinov, befinden sich viele Werke für Chemie und Erdölverarbeitung. Vor allem die beiden größten Betriebe, Ceska Rafinerska und Unipetrol, werden immer wieder für die Geruchsbelästigung verantwortlich gemacht. „Doch die Großindustrie da drüben zieht sich aus der Verantwortung“, meint Kreher. Die Betriebe würden Beweise verlangen. Das habe ihr Verein jahrelang versucht. Es gab Studien, Befragungen der Anwohner und Messstationen, die tatsächlich erhöhte Benzol- und Schwefeldioxidwerte feststellten.

„Seit Jahren bekommen wir Beschwerden der Anwohner, vergleichen diese mit den Luftmesswerten und der Wetterlage“, erklärt Andreas Eckardt vom Sächsischen Umweltministerium. Das Problem sei aber, dass sich aus den Ergebnissen nur eine Geruchsbelästigung aus Süd-Ost beweisen lasse, nicht aber die Verursachung durch bestimmte Betriebe. Im Gebiet Litvinov befänden sich rund sieben Kraftwerke und einige Chemopetrolkomplexe. Das erleichtere es den Betrieben, Anschuldigungen zurückzuweisen. Dennoch gilt es aufgrund der Produkte, die Ceska Rafinerska und Unipetrol herstellen, als relativ sicher, dass sie den üblen Geruch verursachen.

Immerhin finanzieren sie mittlerweile ein Umweltzentrum in Most, das die Anwohner via Internet über Störfälle informiert. Pavel Vesely, Pressesprecher von Unipetrol, wies gegenüber der Leipziger Volkszeitung darauf hin, dass kein Zusammenhang zwischen seinem Betrieb und den Gerüchen nachgewiesen sei. Außerdem halte sich Unipetrol an die gesetzlichen Regelungen und Grenzwerte. Vesely verweist auf Verkehr und Müllentsorgungen als mögliche Geruchsquellen.

Veronika Bellmann: „Wir sind jetzt ein einheitliches Europa, da können wir doch nicht an der Zusammenarbeit bei Grundbedürfnissen wie sauberer Luft scheitern.“

Seit 2002 engagiert sich auch Veronika Bellmann, CDU-Bundestagsabgeordnete des Mittleren Erzgebirges, für die Region. Mehrfach hat sie versucht, über Bundesebene Druck auf die tschechischen Behörden auszuüben. Das Problem dabei: Die durchschnittlichen Jahresgrenzwerte für Luftverschmutzung werden nicht überschritten. Es komme nur periodisch zu erheblicher Belastung, wahrscheinlich während Störfällen. Daher können sich die Politiker nur bemühen, die tschechische Seite zu Gesprächen mit den Betrieben zu bewegen. Doch auch bei diesen Bemühungen fühlt Bellmann sich nicht ernsthaft auf Bundesebene unterstützt. Um endlich mehr politischen Beistand zu bekommen, hat sie sich Anfang des Jahres mit der Bitte um Vermittlung von Gesprächen an EU-Umweltkommissar Stavros Dimas gewandt. Am 7. April trifft sie nun den tschechischen Botschafter Rudolf Jindrák. „Ich habe das Gefühl, dass ein wenig mehr geschieht, wenn die Tschechen mit den Firmen sprechen“, begründet sie ihr Treffen. „Wir sind jetzt ein einheitliches Europa, da können wir doch nicht an der Zusammenarbeit bei Grundbedürfnissen wie sauberer Luft scheitern.“

(Text von Carina Pesch, Bild von www.sxc.hu)

Anmerkung: Der Artikel ist am 29.03.2008 in der Leipziger Volkszeitung erschienen.