Säbelrasseln in Südamerika

Ecuador und Venezuela brechen diplomatische Beziehungen zu Kolumbien ab.

Bogotá/Quito/Caracas/Leipzig. Während 44 Jahren kolumbianischen Bürgerkriegs haben die innerstaatlichen Konflikte noch nie eine so starke zwischenstaatliche Krise verursacht. Ecuador und Venezuela haben ihre diplomatischen Beziehungen zum Nachbarland Kolumbien abgebrochen und ihre Truppen an der kolumbianischen Grenze verstärkt. Damit hat sich der Grenzkonflikt in der Region verschärft, nachdem am vergangenen Samstag kolumbianische Truppen ein Lager der Rebellenorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) angriffen. Das Lager befand sich auf ecuadorianischem Gebiet. Zunächst griffen kolumbianische Truppen aus der Luft an, töteten den stellvertretenden Rebellenführer Raúl Reyes sowie nach ecuadorianischen Angaben 20 weitere Rebellen. Anschließend drangen Bodentruppen auf ecuadorianisches Gebiet vor, um den Leichnam Reyes“ zu bergen.

Diese Verletzung des ecuadorianischen Hohheitgebietes verursachte die Krise. Mittlerweile haben sich die Vereinten Nationen, die Organisation Amerikanischer Staaten und verschiedene europäische Länder eingeschaltet und zu Besonnenheit aufgerufen. Gegenseitige Anschuldigungen verhärten jedoch die Fronten. Der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe wirft Venezuela und Ecuador vor, die linksgerichteten Rebellen der FARC zu unterstützen. Nach Angaben des kolumbianischen Polizeichefs Oscar Naranjo gebe es durch die Bergungsarbeiten der kolumbianischen Bodentruppen nun sogar Beweismaterial. Denn neben dem Leichnam des Rebellenführers will das Militär auch drei Computer geborgen haben. Darauf befänden sich E-Mails, die belegen sollen, dass Venezuela der FARC 300 Millionen US-Dollar in Aussicht gestellt habe. Das wäre ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht.

Die Politologin und Kolumbienspezialistin der Universität Frankfurt/Main, Linda Helfrich kann zwar bestätigen, dass Venezuela und Ecuador keine ablehnende Haltung gegenüber der FARC einnehmen, sie also nicht als Terrororganisation einstufen. Doch sei eine effektive Unterstützung der FARC nicht belegt.

Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa wirft Kolumbien hingegen vor, der Befreiung von Ingrid Betancourt und weiteren zwölf Geiseln im Weg zu stehen. Betancourt war kolumbianische Präsidentschaftskandidatin, bevor sie im Februar 2002 von der FARC entführt wurde. Ecuador engagierte sich für die Befreiung der Politikerin, die nach ecuadorianischen Angaben für die erste Märzhälfte geplant war. „Ich kann nicht ausschließen, dass Kolumbiens Überfall absichtlich geführt wurde, um diese Freilassung zu verhindern“, sagte Correa in Quito.

Helfrich weist darauf hin, dass die aktuelle Auseinandersetzung nur ein Konfliktpunkt in den Beziehungen der drei Länder sei. Seit über zwei Jahren komme es regelmäßig zu Grenzüberschreitungen. Die Frage laute also, warum die Situation gerade jetzt eskaliert. Während Kolumbien unter dem konservativen Präsidenten Uribe einen US-treuen Kurs verfolgt, betrieben Ecuador und Venezuela eher eine links gerichtete Politik. Vor allem in Venezuela würden auch die schlechten Ergebnisse der letzten Wahl für Präsident Hugo Chávez eine Rolle spielen. In solchen Situationen sei es immer gut außenpolitisch Macht zu demonstrieren.

Der aktuelle Konflikt zwischen Ecuador, Venezuela und Kolumbien sei ein Ausdruck des Stimmungsumschwungs in Südamerika, so Helfrich weiter. Immer mehr Staaten tendierten zum linken Lager um den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Dadurch verhärte sich die Front zu den USA und ihren Verbündeten, so Helfrich. Eine generelle Destabilisierung der Region und Kriegszustände hält sie aber für unwahrscheinlich: „Kein lateinamerikanisches Land kann sich wünschen und leisten, dass es zu Krieg kommt. Im Fall von Venezuela geht es vor allem um das Beziehen von Position als Regionalmacht.“ Carina Pesch/dpa

Anmerkung: Der Artikel wurde am 05. März 2008 in der Leipziger Volkszeitung veröffentlicht.

Kolumbiens Weg ins südamerikanische Abseits und zurück.

Wie sich die Krise um Kolumbien verstärkt, um kurz später beigelegt zu werden

San Salvador, Buenos Aires, Santo Domingo, Bogotá. Nach Ecuador und Venezuela hat auch Nicaragua die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abgebrochen. Damit gibt es einen weiteren Staat, der sich ganz klar auf die Seite des linken Lagers auf dem südamerikanischen Kontinent gestellt hat. Der Präsident von Nicaragua, Daniel Ortega, brach die Beziehungen zu Kolumbien nach einem Besuch des ecuadorianischen Präsidenten in Nicaragua ab. Rafael Correa, Präsident von Ecuador, besuchte Nicaragua auf seiner Südamerikareise, die er dazu nutzte für eine gemeinsame Position gegen den konservativen Präsidenten Kolumbiens, Álvaro Uribe, zu werben.

Nicaragua fühlt sich durch Kolumbien bedroht.

Nicaraguas Präsident Ortega begründete den Bruch mit Kolumbien mit seiner solidarischen Haltung gegenüber Ecuador. Er bezog sich damit auf die militärische Aktion Kolumbiens (01.03.2008), bei der die ecuadorianische Souveränität während eines Angriffs der kolumbianischen Armee auf ein Rebellenlager der linksextremen FARC verletzt worden war. Sein Land fühle sich durch Kolumbien bedroht, fügte Ortega hinzu. Denn Nicaragua hat eine maritime Grenze in der Karibik zu Kolumbien, deren Verlauf zwischen beiden Ländern strittig ist. „Wir brechen mit der terroristischen Politik der Regierung Álavaro Uribes, nicht mit dem kolumbianischen Volk“, sagte Ortega bei einem Besuch seines Amtskollegen Correa in Ecuador.

USA stärkt dann doch Kolumbien den Rücken.

Auch gemäßigtere Länder in Südamerika riefen den pro-amerikanischen und konservativen Präsidenten Kolumbiens zu einer klaren Entschuldigung auf. So zum Beispiel der peruanische Präsident Alan García, der zuvor eigentlich Kolumbien näher stand. Kritisch äußerten sich auch Brasilien, Chile und Argentinien. Unterstützung bekam der kolumbianische Präsident hingegen vom nordamerikanischen Kontinent: US-Präsident George W. Bush stellte sich hinter Uribe und lobte seine „Führungsqualitäten“ im Kampf gegen internationalen Terrorismus. Kolumbien könne mit Unterstützung der USA gegen die „provokativen Manöver“ Venezuelas rechnen. Der venezuelanische Präsident, Hugo Chávez, hatte seinen kolumbianischen Amtskollegen zuvor als „Lügner, Verrückten und Marionette“ der USA beschimpft. Dieses innige Verhältnis zwischen den USA und Kolumbien sei Venezuelas Präsidenten Chávez ein Dorn im Auge, mutmaßen viele Südamerikaspezialisten. Dies wird mit als Grund angeführt für den harten Kurs Venezuelas gegen Kolumbien, denn Chávez versuche mit den Öleinnahmen seines Landes das zerstrittene Südamerika gegen die traditionelle Vorherrschaft der USA zu einen.

In Kolumbien: Protest gegen Bürgerkrieg und die Regierung.

Auch innerhalb Kolumbiens demonstrierte ein Großteil der Bevölkerung gegen die Regierung Uribes und gegen die Gewalt der Paramilitärs. Nach UN-Angaben gehen 80 Prozent der Opfer des jahrzehntelangen Bügerkrieges in Kolumbien auf die rechtsextremen Paramilitärs zurück. Der kolumbianische Präsident geht zwar hart gegen die linken FARC-Rebellen vor, jedoch arbeitet das kolumbianische Militär oft mit den rechtsextremen Paramilitärs zusammen. Die Demonstranten gedachten mit den landesweiten Protesten den Verschwundenen, Vertriebenen und Hingerichteten, die der 40-jährige Bürgerkrieg in Kolumbien bereits forderte. Allein in Bogotá gingen am 06.03.2008 nach Angaben der Stadtverwaltung über 200.000 Menschen auf die Straßen.

Rafael Correa: „Natürlich können wir den Konflikt auf diesem Treffen ganz einfach beenden.“

Zwischen Kolumbien und Ecuador kam es währenddessen jedoch schon wieder zu ersten Annäherungen. Ecuador nahm kurz vor dem südamerikanischen Gipfeltreffen der Rio-Gruppe in der Dominikanischen Republik mutmaßliche FARC-Rebellen im ecuadorianischen Amazonasgebiet fest. Damit kam Ecuador einer zentralen Forderung Kolumbiens nach und leitete erste Versöhnungsversuche vor dem Treffen, bei dem die Krise thematisiert werden sollte, ein. Vor dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Rio-Gruppe bemerkte der ecuadorianische Präsident Correa bei seiner Ankunft in Santo Domingo: „Natürlich können wir den Konflikt auf diesem Treffen ganz einfach beenden“. Dafür müsse Uribe aber versprechen, nie wieder die Grenze zu seinen Nachbarländern zu verletzen und von seinen Vorwürfen, Ecuador und Venezuela würden die FARC-Rebellen unterstützen, Abstand nehmen. Auf der anderen Seite betonte der kolumbianische Präsident vor dem Treffen, er habe sich bereits entschuldigt und forderte eine bessere Zusammenarbeit im Kampf gegen die FARC.

Uribe weicht aus, später Schulterklopfen mit Correa und Chavez.

Das Gipfeltreffen begann mit einem offiziellen Fototermin, bei dem der Präsident Kolumbien fehlte. Damit wich Uribe seinen Kollegen Chávez und Correa zunächst aus. Er gab unterdessen Journalisten ausführliche Interviews und grüßte das ecuadorianische Volk. Dann kam es aber im weiteren Verlauf des Treffens zu einer überraschenden Versöhnung der Staatschefs. Die Präsidenten von Ecuador und Kolumbien, Rafael Correa und Álavaro Uribe, schüttelten sich lange die Hand und verabschiedeten sich mit gegenseitigem Schulterklopfen. Auch der venezuelanische Präsident, Hugo Chávez, näherte sich Kolumbien an. Zum Abschluss des Gipfeltreffens der Rio-Gruppe in der Dominikanischen Republik klopften sich auch Chávez und Uribe die Schultern, machten sogar Witze.

Das Versprechen:

Uribe versprach, dass sich Militärschläge, wie der in Ecuador eine Woche zuvor, nie wieder wiederholen würden. Im Gegenzug sagte Correa zu, die Dokumente, die eine Zusammenarbeit seines Landes mit den kolumbianischen FARC-Rebellen belegen sollen, prüfen zu lassen. Er wolle sehen, ob Gesetze verletzt worden seien. So wurde der regionale Konflikt nach einer Woche beigelegt.

(epd, dpa, rts, AFP, zusammen getragen von Carina Pesch)