Grenzen für den Schnüffelstaat

Verfassungsgericht schränkt massenhafte Datenspeicherung ein.

Karlsruhe/ Leipzig. Noch hat Karlsruhe das letzte Wort nicht gesprochen. Allerdings liest sich der Eilbeschluss, mit dem das Bundesverfassungsgericht gestern Teile des Gesetzes zur Massenspeicherung von Kommunikationsdaten ausgesetzt hat, wie eine Blaupause für die abschließende Entscheidung: Einschränkung der Datenspeicherung.

Gut möglich, dass der Beschluss zum Ende so stehen bleibt. Denn Karlsruhe hat immer wieder betont, dass gravierende Eingriffe in Datenschutz und Fernmeldegeheimnis nur gerechtfertigt sind, wenn auch in der anderen Waagschale ein Schwergewicht liegt – wie die Verfolgung schwerer Straftaten oder die Abwehr konkreter Gefahren.

Anlass zum richterlichen Treffen in Karlsruhe gaben acht Bürger, die eine Verfassungsbeschwerde gegen die Datenspeicherung erhoben hatten. Sie hatten teils Erfolg: Zwar müssen die Telekommunikationsanbieter weiterhin sechs Monate auf Vorrat speichern, wer wann mit wem über Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung stand. Herausgeben dürfen sie die Daten an Strafverfolgungsbehörden aber nur, wenn es in den Ermittlungen um schwere Straftaten geht – etwa Korruption, Mord oder Drogenhandel. Und auch in diesen Fällen nur dann, wenn die Aufklärung auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

Diese Einschränkungen, die Karlsruhe schon jetzt im Eilbeschluss setzte, machen ihn zu einem weiteren Glied einer inzwischen langen Kette von Entscheidungen zu Gunsten des Datenschutzes der Bürger. Zuvor erklärte das Gericht unter anderem den Großen Lauschangriff für verfassungswidrig und setzte höhere Hürden für Online-Durchsuchungen.

Die Verfassungsrichter begründeten ihre nun getroffene Entscheidung: Der „umfassende und anlasslose Vorrat sensibler Daten über praktisch jedermann“ könne einen „erheblichen Einschüchterungseffekt“ bewirken. Mit dieser Einschätzung schließen sie sich zahlreichen Bürgerrechtlern an, die schon seit Jahren gegen die Vorratsdatenspeicherung Sturm laufen und betonen, dass ein Zuviel an Sicherheitsgesetzen der Demokratie schade.

Der Eilbeschluss sei nur eine Etappe auf dem Weg zum Datenschutz, doch er sei ein Wink in die richtige Richtung, sind sich die Datenschutzbeauftragten von Sachsen und Thüringen einig. „Wir sind sehr zufrieden, dass Karlsruhe der Gesetzgebung Grenzen aufgezeigt und die Grundrechte betont hat“, sagt Andreas Schneider, Referatsleiter des Sächsischen Datenschutzes gegenüber dieser Zeitung. Für die aktuelle Situation sei das die optimale Entscheidung und gesetzlich mehr nicht möglich. Schließlich sei das Verfassungsgericht nicht dazu da, die Gesetzgebung zu überwerfen, sondern solle sie überprüfen.

Doch sei die Situation paradox, dass Bürger durch Steuern für die Speicherung ihrer Daten bezahlen müssen, ergänzt der Datenschützer. Zumal Studien des Bundeskriminalamtes und des Max-Planck-Instituts zeigen, dass Datenspeicherung die Erfolgschance der Strafverfolgung nur um 0,006 Prozent steigere. „Da muss man sich schon fragen, wieso der Staat mit seiner Gesetzgebung Dämme bricht“, sagt Schneider und hofft, dass das Hauptverfahren klären wird, inwiefern Daten überhaupt gespeichert werden dürfen.

(Text von Wolfgang Janisch/dpa und Carina Pesch, Bild von www.sxc.hu)

Anmerkung: Der Artikel erschien am 20.03.2008 in der Leipziger Volkszeitung.