Fair Trade – Der Weg aus der Kirche in die Supermärkte

Die Erfolgsgeschichte des Fairen Handels und seine Nachteile

Leipzig. Ein Mann im hellen Hemd streift durch tropisches Unterholz, um ihn herum wachsen Kakaopflanzen. Er hält kurz inne und sagt: „Ohne die Kooperative wären wir vielleicht verloren, wir hätten so gut wie nichts.“ Norbert Abé Kouarme ist Kakaobauer in der Elfenbeinküste und seit der Gründung der Kooperative Karokiva verkauft er seine Kakaobohnen an die deutsche Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt (gepa).

Er produziert für ein Fair-Handels-Unternehmen, das ihm stabile Preise und Unterstützung verspricht. Von der gepa erhalten die Bauern finanzielle Hilfe und Beratung – beim Bau von Brunnen oder Schulen, bei Vermarktung und Anbau. Der Faire Handel möchte Produzenten in Entwicklungsländern eine gerechtere Alternative zum launischen Weltmarkt bieten.

Seit seiner Gründung hat sich der Faire Handel immer weiter ausgebreitet. Mittlerweile kann der Kunde fair gehandelte Produkte nicht nur in Weltläden, sondern auch in Supermärkten und sogar in Discount-Märkten kaufen. Eine ganze Maschinerie aus Organisationen, Verwaltung, Prüfzeichen und Genossenschaften ist entstanden. Das führt zu Unübersichtlichkeit. Der Faire Handel hat längst Kritiker gefunden. Sie kritisieren, dass er seiner Ideologie nicht treu bleibe und ineffektiv sei.

Die Geschichte des Fairen Handels schreibt sich aber wie eine Erfolgsgeschichte. Bereits im 19. Jahrhundert gab es vereinzelt Missionare, die der kolonialen Ausbeutung entgegenwirken wollten, indem sie afrikanisches Kunsthandwerk in ihren Heimatgemeinden verkauften. Der Erlös sollte den afrikanischen Stämmen zugute kommen. Ende der 1940er Jahre griffen christliche Gemeinden in den USA die Idee auf: Mennoniten und Brüderbewegung organisierten erstmals Fairen Handel im größeren Stil.

Sein erstes Hoch erlebte der Faire Handel in den 70er Jahren. In der politischen Aufbruchsstimmung rückte auch die Armut der Dritten Welt ins öffentliche Bewusstsein. Vor allem junge Menschen gingen auf die Straßen und forderten Gerechtigkeit. So organisierte der damalige Bildungsleiter des katholischen Hilfswerks Misereor, Erwin Mock, mit christlichen Jugendverbänden Hungermärsche in über 70 deutschen Städten. Sie riefen zu Solidarität mit der Dritten Welt auf. Aus dieser Aktion ging schließlich 1971 in Aachen der Vorläufer der gepa hervor. Die Ur-gepa war Tochtergesellschaft der niederländischen Fair-Handels-Organisation S.O.S.. „Einmal die Woche fuhren die Jugendlichen 300 Meter von Aachen über die holländische Grenze, luden die Autos mit exotischen Waren voll und verkauften sie dann in Deutschland auf Basaren und in Kirchen“, erzählt der heute über 70-Jährige Erwin Mock. Nur kurze Zeit später verkauften sie die Waren auch in Weltläden, die über die Produktionsländer informierten.

Die Idee sei einfach gewesen. „Wir haben damals gesagt“, erinnert sich Mock. „Die produzieren doch auch gute Sachen, lass uns doch diese Dinge importieren und wir können beim Verkauf der Waren auch die Botschaft verkaufen.“ Aufklärungsarbeit war damals ein wesentlicher Bestandteil der Geschäftsidee. Erwin Mock wollte, dass die Menschen der Industrieländer etwas von ihrem Wohlstand abgeben. Darüber hinaus habe der Faire Handel aber auch praktische Hilfe vor Ort geleistet. So hat Mock damals bei den Bischöfen Kredite losgeeist, damit der weltweit erste fair gehandelte Kaffee aus Guatemala nach Aachen importiert werden konnte. „Wir wollten denen mit Kleinkrediten helfen aus der Falle raus zu kommen“, erklärt Mock. Denn Zwischenhändler nutzen Armut und Abhängigkeit der Bauern oft aus, um die Preise zu drücken.

Diesen Doppelansatz aus Botschaft und praktischer Hilfe verfolgen Fair-Handels-Unternehmen noch heute. Doch die Marktnische Fairer Handel und ihr Absatzmarkt haben sich vergrößert. Für Brigitte Frommeyer, Pressesprecherin der gepa, ist es wichtig den Fairen Handel weit zu streuen: „Wir gucken, dass wir auch mit Genossenschaften zusammenarbeiten, die nicht nur an den Fairen Handel liefern. Denn es nützt ja nichts, wenn es einer Genossenschaft gut geht und im Nachbardorf herrscht Armut und Ausbeutung. Wir finden es sinnvoller, mit möglichst vielen Organisationen zusammen zu arbeiten.“ Aus diesem Grund verkauft die gepa auch in Supermärkten ihre Waren. Der Gedanke dahinter: Raus aus der Nische und mehr Bauern faire Preise ermöglichen. Doch diese Geschäftsphilosophie treibt den Fairen Handel in eine Zwickmühle. Die Botschaft, die Erwin Mock so wichtig war, kann leicht verloren gehen, wenn Nestlé und Lidl sich mit Fair-Handel-Siegel schmücken dürfen. Andererseits profitieren heute mehr Bauern vom Fairen Handel.

Doch die Kritiker bemängeln nicht nur den Verlust der Botschaft. Sie halten den Fairen Handel für kein geeignetes Instrument, Gerechtigkeit auf den Weltmarkt zu bringen. Der Wirtschaftspublizist Jean-Pierre Boris warnt vor Verschleierung der wahren Probleme. Der Griff zum fairen Produkt beschwichtige das schlechte Gewissen und verhindere, die Probleme bei den Wurzeln zu packen.

Zumindest in einem Punkt muss man den Kritikern zustimmen: Der Marktanteil ist auch nach der Erfolgsgeschichte noch sehr gering. Fair gehandelter Kaffee kommt in Deutschland auf knapp ein Prozent. Und von den etwa sieben Euro, die der Kunde für fairen Röstkaffee zahlt, erhält der Bauer ein bisschen mehr als einen Euro für seinen Rohkaffee. Das ist immer noch mehr als auf dem Weltmarkt. Der Kakaobauer aus der Elfenbeinküste Norbert Abé Kouarme hat so ein festes Haus bauen können und seine Tochter geht jetzt zur Schule.

(Text von Carina Pesch, Bilder von gepa und transfair)

Anmerkung: Der Artikel ist am 25.04.2008 in der Leipziger Volkszeitung erschienen.